LAING

ÜBER ERFOLG

Foto: Malte Wingen.

LAING setzt auf Signalkraft. Gut dosiert und bedacht inszeniert, so arbeitet die Band an ihrer Unverkennbarkeit in Klang, Look und Performance. Wer die Sängerinnen einmal live erlebt hat, wird sich an ihre perfektionierte Mehrstimmigkeit und detailverliebten Kostüme erinnern und vermutlich keine andere deutschsprachige Band gleicher Machart benennen können. Reiner Zufall und Talent? In jedem Fall, aber nicht ausschließlich, sagt Frontfrau und Songwriterin Nicola Rost, die nach den turbulenten Jahren mit zwei Alben, einem Top-Ten-Hit und mehreren Tourneen inzwischen ganz sicher weiß: Erfolg ist eben auch ganz viel Arbeit.

Interview: Alexandra Helena Becht.

Gefeierte Alben, ausgiebige Tourneen, ein Top-Ten-Hit … klingt von außen betrachtet nach einer ziemlich erfolgreichen Band. Fühlt es sich auch so an oder definiert LAING Erfolg womöglich nach ganz anderen Parametern?

NICOLA:
Für mich ist Erfolg, dass ich mit der Musik weitermachen kann. Es ist eine riesen Errungenschaft, diesen Weg immer weiter gehen zu dürfen. Es gibt Höhen und Tiefen – ebenso wie Bedingungen wie zum Beispiel ein gewisses Einkommen und eine gewisse Menge an Menschen, die die Musik anspricht. Doch unter dem Strich ist Erfolg für mich, als Künstlerin leben und arbeiten zu können.

Ganz unabhängig davon, was man unter Erfolg versteht, stellt er sich erst mal ein, muss man lernen, mit ihm umzugehen. Gibt es bandintern gewisse Erwartungshaltungen in Bezug auf neue Songs und Alben oder habt ihr gelernt, euch davon frei zu machen?

NICOLA:
Ich habe in den letzten Jahren im Musikgeschäft viel gelernt. Unter anderem auch, dass ich nicht nur einmal ganz schnell hochschießen, sondern mir langfristig und konstant etwas aufbauen möchte – was beides schwierig sein kann. Natürlich träumt man immer davon, dass man viele Leute erreicht und berührt, dennoch haut es mich nicht um, wenn wir keine riesen Hits haben. Denn mittlerweile weiß ich, dass wir Fans haben, die uns über die Jahre begleitet haben und die es zu schätzen wissen, ein Album von uns hören zu können.

LAING: Larissa Pesch, Johanna Marshall und Kopf der Band Nicola Rost sowie Tänzerin Marisa Akeny fotografiert von Ben Wolf.

DIE BAND
Es sind Songs wie „Morgens immer müde“ mit denen für eine Band alles anfangen und genauso wieder enden kann. Nicht für LAING. Die vier Berlinerinnen hatten von Anfang an mehr Potential und Tatendrang als ein Onehitwonder. Mehrstimmiger Gesang, smarte deutsche Texte und eine detailverliebte Live-Performance – seit ihrem 2013er Debütalbum „Paradies Naiv“ liefern Frontfrau Nicola Rost zusammen mit ihren Bandkolleginnen ein souveränes Poperlebnis auf kreativer Langstrecke. Mit „Wechselt die Beleuchtung“ veröffentlichten sie nur ein Jahr nach ihrem Debüt ihr zweites Album und spielten ausgiebige Tourneen. Die längere Pause zwischen dem letzten und dem neuen Album „Fotogena“ war wohl verdient und wichtig, um Abstand zu gewinnen und, um Druck abzulassen.

Von der Musik zu leben – das kann selbst für etablierte Künstler und Bands eine Herausforderung sein. Wie sieht es bei LAING aus?

NICOLA:
Ich lebe seit mehreren Jahren hauptberuflich von der Musik. Das liegt auch daran, dass bei mir alle Fäden der Band zusammenlaufen – trotz unseres großen Teams und der vielen Unterstützer. Nebenher arbeite ich noch für andere musikalische Projekte und schreibe für andere. Bei meinen Bandkolleginnen sieht es etwas anders aus: Sie studieren parallel oder üben nebenher noch einen anderen Beruf aus.

Erfolg bringt häufig auch einen gewissen Leistungsdruck mit sich. Kann man als Künstlerin oder Band dennoch einen eigenen Rhythmus finden, um nicht nur „funktionieren“ zu müssen?

NICOLA:
Ich habe in der Vergangenheit gemerkt, dass bei mir im Laufe einer Tour, nach vielen aufeinanderfolgenden Konzerten, das Gefühl aufkommt, dass man sich nur noch selbst spielt. Ich brauche mehr Zeit, um aufzutanken. Daher haben wir unsere kommende Tour entsprechend mit mehr Pausen oder freien Tagen zwischen den Konzerten geplant.

Gab es bei LAING in Bezug auf das Bandkonzept je Zweifel, damit ein größeres Publikum ansprechen zu können?

NICOLA:
Das hat sich über die Jahre immer wieder verändert. Mein Antrieb ist auf jeden Fall, dass ich an LAING glaube. Pop kann so vieles sein. Ich persönlich mag überrascht werden, über Sachen stolpern und mich für gute Ideen begeistern. Das ist meine Motivation, Ideen zu finden, an denen Leute hängen bleiben. Für mich ist LAING zweifellos sehr stimmig und fühlt sich natürlich an, aber tatsächlich bekomme ich immer wieder Feedback, dass wir nicht richtig in eine Sparte passen. Was es schwierig machen kann, da viele Bereiche der Musikbranche in Sparten aufgeteilt sind, wie zum Beispiel Festivals oder Radiosender …

Foto: Markus Spiske.

Wenn die berufliche Existenz von den eigenen Ideen und der eigenen Überzeugungskraft abhängig ist, kann das zu so einigen Drucksituationen führen. Wie geht ihr bei LAING damit um?

NICOLA:
Ein ganz wichtiges Puzzlestück in diesem Beruf ist der Kontakt mit Leuten, die diese Musik gut finden. Weil man dann erst merkt, dass sich der Hustle dafür lohnt. Natürlich gibt es auf diesem Weg Phasen, in denen man nicht weiß, wie es weitergehen und wo man in fünf Jahren stehen wird. Vermutlich steht man wie jeder Selbstständige unter einem großen Druck. Ich stolpere von einer Drucksituation in die nächste: Ein Album zu produzieren ist eine Drucksituation, ebenso wie es zu veröffentlichen und danach wieder ein neues Album schreiben zu müssen … Das hat natürlich auch mit meinem eigenen Anspruch zu tun, Dinge so gut wie möglich machen zu wollen.

Follower, Videoklicks und Streams. Ist die von Zahlen getriebene Musikbranche womöglich nichts für so manche sensible Künstlerseele, die sich schwertut, Musik als Produkt zu akzeptieren?

NICOLA:
Ich glaube, man braucht eine dicke Haut und man muss zäh in seinem Durchhaltevermögen sein. Erfolg ist eben auch ganz viel Arbeit. Neben Talent und Zufall.

Gab es einen gewissen Erfolgsmoment oder Zufallstreffer, der LAING in Bezug auf die breite öffentliche Wahrnehmung auf ein nächstes Level gehoben hat?

NICOLA:
2012 haben mehrere Dinge ineinandergegriffen: unsere Teilnahme am Bundesvision Song Contest, unsere Tour mit MIA und dass unser Song „Morgens immer müde“ in einem Werbespot gefeaturt wurde. Das hat unsere Single in die Top-Ten-Charts katapultiert. Das war Arbeit und Zufall.

Foto: Cody Davis.

Geht man nach einem Top-Ten-Hit anders an das Songwriting heran?

NICOLA:
Ich werde selbstbewusster und merke immer mehr, dass es ist, was es ist. Es gibt Leute, die unsere Musik total gut finden oder gar nichts damit anfangen können – aber es stimmt für mich so, wie es aus mir herauskommt. Ich habe auch verschiedene Meinungen zu unfertigen Songs eingeholt und gemerkt: Das was die eine Fraktion kritisiert, findet die andere gut. Dadurch habe ich eine Weile festgesteckt. Dann habe ich mich gefragt, worum ging es mir in den Songs, was hat sich natürlich angefühlt, als der Song entstanden ist. Ich kann überhaupt nicht unnatürlich Musik machen. Wenn ich zu doll will, dann kommt gar nichts. Es muss einen Anlass, eine Idee geben, die am Anfang steht.

LAING hat das oft gesuchte Alleinstellungsmerkmal: Sowohl das musikalische als auch das visuelle Konzept lassen so gut wie keine Vergleiche zu anderen deutschsprachigen Bands zu. Schließt das damit auch Konkurrenzdenken aus?

NICOLA:
Ich finde, wir stehen in gar keiner direkten Konkurrenz mit einer anderen Band. Das macht es zwar einerseits schwierig, weil wir nirgendwo so richtig reinpassen, aber auch leichter, weil ich nicht schauen muss, was diese oder jene Band macht.

Als Musiker reicht es längst nicht mehr, nur gute Musik zu schreiben. Gleichzeitig muss man Stories teilen, Content kreieren und in den sozialen Netzwerken bestenfalls immer auf Sendung sein. Ist das etwas, das euch leicht von der Hand geht, oder gibt es hier seitens Label und Management gewisse Strategien?

NICOLA:
Natürlich gibt es den dezenten Hinweis, dass man da seine Hausaufgaben machen sollte, aber das ist ja auch in unserem Interesse. Privat halte ich mich in den sozialen Netzwerken eher bedeckt. Beruflich ist es aber die totale Chance. Während man früher erst durch viele Filter wie Radio oder TV durch musste, um eine große Reichweite zu erzielen, kann man heute per Social Media enorm viele Leute erreichen. Klar erhöht dies auch den Druck, immer „on" zu sein.

Foto: Jason Leung.

Fällt es euch als Frauen leicht, eure eigene Musik zu promoten, oder musstet ihr erst lernen, euch wie ein klassisches Alphamännchen auf die Brust zu trommeln?

NICOLA:
Ich finde, das ist eine Typenfrage. Es gibt meines Erachtens nicht nur eine bestimmte Art, für sich zu werben. Es ist immer ein heikles Thema, wie man sich selbst vermarktet. Ich fand es früher, als wir angefangen haben, sogar peinlich, sich selbst anzupreisen, da es nicht natürlich ist. Man hatte auch eher das romantische Bild vor Augen, entdeckt zu werden. Das passiert aber in den seltensten Fällen.
Nach wie vor finde ich es ein wenig unsexy zu sagen, wie gut unser Album ist. Aber natürlich versuche ich, es so gut zu bewerben, wie ich kann, und kämpfe dafür.

Welchen Rat hat LAING an Newcomer oder Künstler, die noch am Anfang ihrer musikalischen Laufbahn stehen?

NICOLA:
Uns hat damals total geholfen, ein Management zu finden. Die Vermarktung ist einfach ein eigener Beruf, genauso wie das Musikmachen. Ich weiß, dass es nicht leicht ist, ein gutes oder überhaupt ein Management zu finden. Aber man kann ja auch einen Manager treffen und sich Tipps geben lassen oder Workshops wahrnehmen. Der Austausch mit branchenerfahrenen Experten ist total hilfreich. Dazu darf man sich selbst auch nicht zu schade sein. Man muss ganz viel selbst dafür tun, dass Leute die eigene Musik hören, und durchhalten.

Danke an Nicola Rost von Laing für das Interview. Danke an die Leserinnen und Leser für das Interesse.

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