WOMAN

SOUND VON WELT.TRIO AUS KÖLN.

ÜBER ERFOLG

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Foto: Jason Wong. Animation: Berkant Özdemir.

Der Sound von WOMAN durchdringt scheinbar schwerelos den Raum und wirkt gleichzeitig nachdenklich und reflektiert. Das Kölner Trio erreicht mit unaufdringlicher und zugleich einladender Geste ein breites Publikum. In kürzester Zeit hat WOMAN einen Weg erspielt, für den andere Newcomer viele Jahre brauchen. Kein Grund, sich zurückzulehnen, sondern sich als Künstler und Privatpersonen weiterzuentwickeln, zu prüfen und zu hinterfragen. Zur losgelösten Kunst gesellten sich mit der breiteren Aufmerksamkeit plötzlich auch Druck und die Erkenntnis: So schnell, wie alles gekommen ist, kann es auch wieder gehen.

Interview: Alexandra Helena Becht

Erfolg malt durch das Auge des Betrachters viele verschiedene Bilder. Auch innerhalb einer Band gibt es unterschiedliche Interpretationen und Sichtweisen. Sei es eine plakative Pose oder ein reflektiertes Stillleben. Mit welchen Motiven malen die Bandmitglieder von WOMAN ihre jeweilige Vorstellung von Erfolg?

Manuel:
Erfolg ist für mich, wenn man um null Uhr auf der Hauptbühne bei Rock am Ring steht, das Geländer hochklettert, machen kann, was man will, und alle rasten aus.

Carlos:
Interessant. Für mich ist Erfolg genau das Gegenteil. Erfolg ist für mich Stille und genug Zeit zu haben, sie wahrnehmen zu können. Stille bedeutet für mich Ruhe. Als Künstler ist es durch den Schaffensprozess sehr viel schwerer, ruhig und still zu sein, sich Räume einzugestehen. Daher wäre Erfolg für mich, wenn ich das schaffen würde.

Milan:
Ich glaube, für mich ist Erfolg, den Luxus zu haben, das zu machen, was man machen möchte, unabhängig von Geld oder von irgendwelchen Klickzahlen auf YouTube. Dass man einfach happy ist mit dem, was man tut.

Einen Plattenvertrag zu haben und Tourneen zu spielen, reicht in vielen Fällen nicht, um als Musiker finanziell über die Runden zu kommen. Einzig von der Kunst leben zu können, bleibt auch für scheinbar etablierte Musiker ein schwer zu erreichendes Ziel. Da liegt es vermutlich nahe, dass man auf ein zweites Standbein bauen muss?

Carlos:
Wenn man von Erfolg spricht, dann geht man ja von was anderem aus als davon, gerade so einen Lebensminimumstandard halten zu können. Das ist aber vielleicht für Leute, die keine Musik machen, nicht offensichtlich, wie weit man als Musiker überhaupt kommen muss, um einen lebenswerten Standard zu erreichen. Für viele Leute ist es vermutlich so, dass sie denken, die Band spielt jetzt gerade eine Tour, das muss bei denen laufen. Aber ich gehe nach der Tour zurück ins Büro und die Jungs ebenso. Ohne weitere Jobs neben der Musik ist es finanziell nicht zu halten. Das war vielleicht mal so. Daher ist Erfolg sowieso abgekoppelt von den klassischen Werten. Das ist sehr gefährlich, wenn man als Musiker heutzutage allein darauf baut, mit der Musik genug Geld verdienen zu können. Entweder du musst dich dann komplett verkaufen oder aber es ist sehr schwer.

Von links nach rechts: Milan Jacobi, Carlos Hufschlag, Manuel Tran. Foto: Joseph Strauch

DIE BAND
Es begann in einer Kölner Kellerbar und wurde schnell vom Stadtgespräch zum gefragten Act: WOMAN. Das junge Trio, bestehend aus Carlos Hufschlag, Manuel Tran und Milan Jacobi, erspielte sich mit ihrem sehnsüchtigen Psychedelic-Electro-Disco-Pop in kürzester Zeit eine Hörerschaft für die manche andere Newcomer viele Jahre benötigen. Mit Auftritten bei namhaften Festivals und einer Nominierung für den New Music Award 2017 ist der Anfang gemacht für die nächste Etappe: internationale Bühnen.

Mit zunehmender Aufmerksamkeit, größeren Bühnen und wachsendem Publikum steigen auch die eigenen Ansprüche. Inwieweit haben sich die Zielsetzungen innerhalb der Band verändert?

Milan:
Am Anfang hatte man andere Vorstellungen. Da wollte man als Newcomerband überhaupt erst mal vor mehreren Leuten ein richtiges Konzert spielen. Als wir das ziemlich schnell erreicht hatten, kam der Punkt, ab dem wir anfingen, größer zu denken.

Carlos:
Als ich in die Band eingestiegen bin, habe ich gerade Abi gemacht, da kann man sich vorstellen, dass es mir leicht fiel, mich für das zu entscheiden, was ich gerne mache. Aber wenn du dann Mitte 20 bist, nagt irgendwann das Gefühl an dir, dass du langsam mal erwachsen werden musst. Und dann setzen bestimmte Ängste ein. Wir haben unsere Ängste inzwischen gemeinsam überwunden, aber ab und zu holen sie uns auch schon mal wieder ein. In jedem Fall hat sich für uns die Definition von Erfolg sehr gewandelt.

Wer tut, was er liebt, macht sich in gewisser Weise angreifbar und kann sich darin verlieren.
Gibt es Momente, in denen die eigene Kunst einem mehr nimmt als gibt?

Manuel:
Wir haben für unsere Musik einen Weg gefunden, dass es uns nicht kaputtmacht. Es gab auch Momente, in denen man sich gefragt hat, warum machen wir das eigentlich? Warum studieren wir nicht einfach? Aber ab dem Punkt, wo man erkannt hat, da geht was, beginnt man, sich damit zu arrangieren. Klar, man fühlt sich nicht immer geil. Es ist im Grunde sehr viel Arbeit und es sind nur wenige Momente, in denen du es einfach genießt und dich gut fühlst. Wenn die Leute auf deinen Konzerten applaudieren und du Anerkennung erfährst. Das sind die wenigen Minuten gefühlter Erfolg und der Rest ist einfach viel Arbeit.

Carlos:
Und dennoch kann ich mir nichts anderes für mich vorstellen. Ich kenne keine andere Tätigkeit, die mich so fühlen lässt wie Musik.

"Wenn die Leute auf deinen Konzerten applaudieren und du Anerkennung erfährst, das sind die wenigen Minuten gefühlter Erfolg. Der Rest ist einfach viel Arbeit."

Foto: Jason Wong. Animation: Berkant Özdemir.

KREATIVITÄT TRIFFT AUF ERFAHRUNGSWERTE
Neben kreativer Leichtigkeit braucht es auch Erfahrung und Struktur, um einen souveränen Sound zu entwickeln. Der in Wien lebende Produzent Zebo Adam, der auch schon mit Bands wie Bilderbuch oder Beatsteaks zusammenarbeitete, half den drei Jungs von WOMAN Ängste abzubauen und die eigene Klangfarbe zu stärken. Mit ihm nahmen WOMAN ihre erste EP „Fever“ sowie das Debütalbum „Happy Freedom“ auf. Mit anhaltender Intensität und Experimentierfreude geht es ab März weiter auf Deutschlandtour.

Als junge Band am Anfang ihrer Karriere wirkt WOMAN schon sehr reflektiert und kritisch. War es eine bewusste Entscheidung, sich als Band, besonders auf den Social-Media-Kanälen, vom inszenierten schönen Schein zu distanzieren?

Carlos:
Für mein Empfinden wird durch die Medien ein Weltbild propagiert, das weniger Platz für ernsthafte oder schlechte Gefühle übrig hat. Da kannst du dir als Beispiel auch unsere Instagram Story anschauen, da weint auch keiner. Das ist eine Art von Privatsphäre, die man auch nicht unbedingt teilen möchte. Aber manchmal denke ich mir, warum eigentlich nicht. Wenn man Musik macht, ist man auf eine Art und Weise für Depressionen prädestiniert oder von Natur aus Melancholiker oder zumindest Romantiker. Wir haben mit dem Albumtitel „Happy Freedom“, diesen zwei sehr positiven Begriffen, versucht, eine Negation zu beschreiben. Die Weltkugel mit einer Disko auf dem Artwork zeigt natürlich auch nicht, wie wir leben, sondern persifliert einen bestimmten Zustand.

Manuel:
Wir haben uns auch lange gegen Kommunikation via Social Media gewehrt. Die Meinungen von Musikern dazu sind ganz unterschiedlich, doch letztlich musst du als Musiker diese visuelle Kommunikation ganz unabhängig von deinem Talent beherrschen. Es hat einen Moment gebraucht, bis wir für uns herausgefunden haben, was wir mit unseren Hörern teilen möchten und was nicht. Weil wir eben nicht nur happy im Tourbus durch das Land fahren und auch nichts vormachen möchten.

Carlos:
Es sind letztlich Werkzeuge, um unsere Musik selbst zu vermarkten, nichts anderes als eine Litfaßsäule. Die Schwelle, die ich gefährlich finde, ist, dass wir es emotional befüllen müssen. Und wir wollen aber nicht wie sogenannte Influencer ein Leben inszenieren, an dem andere teilhaben sollen. Wir möchten keine Freundschaft suggerieren nur, um ein Produkt zu verkaufen.

Manuel:
Im Grunde ist es unter anderem auch das, was „Happy Freedom“ beschreibt. Das Dilemma, das auch die Digitalisierung mit sich bringt. Dieses Übermaß an Möglichkeiten macht überhaupt nicht frei. Allein schon, dass ich ständig auf mein Smartphone schaue aus Angst, irgendwas zu verpassen, macht mich nicht frei.

Foto: Berkant Özdemir.

Je schneller man sich als Musiker etabliert, umso weniger Zeit bleibt, um in die damit einhergehenden Prozesse und Erwartungshaltungen hineinzuwachsen. Gab es den Punkt, wo kreativer Druck plötzlich das Songwriting erschwert hat?

Milan:
Bei uns ging es zum Stadtgespräch fast von null auf hundert. Wir haben ein Konzert in kleiner Runde vor 30 Freunden in Köln gespielt und da war eben auch der ein oder andere aus der Musikindustrie dabei. Und so hat es nicht lange gedauert bis wir bei der Cologne Music Week vor über 200 Leuten unser zweites Konzert gespielt haben. Direkt nach dem Konzert standen mehrere Booker vor uns, und darunter war auch unser jetziger Manager. Daraufhin folgten zwei bis drei Jahre, in denen wir unsere Songs geschrieben und an unserer Musik konzentriert gearbeitet haben. Das konzentrierte Songwriting war bei uns steinig und schwer.

Carlos:
Das war dann auch der erste Moment, in dem wir mit Druck konfrontiert waren. Davor war man eher mit sich allein. Wir haben in einer Art Blase unser erstes Album geschrieben und wieder verworfen. Und irgendwann kam die E-Mail, dass der Produzent Zebo Adam unsere Demos gehört hat und uns gern treffen möchte. Ich musste ehrlich gesagt erst mal recherchieren, wer das ist und mit welchen Bands er schon zusammengearbeitet hat. Und als ich dann die Sachen von Bands wie Bilderbuch gehört habe und gesehen habe, was die auffahren, war ich natürlich sehr aufgeregt und gleichzeitig sehr glücklich.

Manuel:
Und plötzlich sitzen wir alle sehr still in meinem alten Auto und fahren zum Flughafen, um Zebo Adam abzuholen. Keiner wusste, wie er aussieht, und dann stand da plötzlich dieser Metalhead.

Carlos:
Wir haben dann einen Tag mit ihm im Proberaum verbracht und vor Aufregung die schlechteste Probe unseres Lebens gespielt. Zebo war ganz entspannt, hat gleich am Abend gesagt, dass er glaubt, dass es menschlich passt, und uns eingeladen, zu ihm ins Studio nach Wien zu kommen. Und dann haben wir uns drei Wochen rausgesucht und sind mit unseren fertigen Songs nach Wien ins Studio, um sie neu aufzunehmen.

Milan:
Bei unserem zweiten Album sind wir mit etwa 40 Songskizzen zu ihm ins Studio gefahren. Begleitet von einem ängstlichen Gefühl, weil die Songs noch nicht fertig waren. Die Angst hat sich vor Ort aber ganz schnell gegeben.

Carlos:
Daran sieht man auch, wie sich unsere Einstellung zu den Dingen verändert hat. Vorher waren wir ja niemandem was schuldig und hatten so viel Zeit, wie wir wollten, um unseren Sound zu finden.
Wäre Zebo nicht gewesen, hätte sich das Selbstverständnis in der Band gar nicht so entwickelt. Die Zusammenarbeit mit ihm ist einfach sehr freundschaftlich und konnte uns Ängste nehmen.

"DAS AKTUELLE ALBUM: "HAPPY FREEDOM"
Weiche Schale, harter Kern. WOMAN teilt mit dem Debütalbum "Happy Freedom" eine kritische Sichtweise auf eine oberflächliche Gesellschaft. Die Freiheit, alles tun zu können, ist noch lange kein Grund, alles tun zu müssen. WOMAN fragt nach mehr Seele, Liebe und Tiefgang und liefert dazu einen schwebenden Soundtrack.

Findet sich die Zeit, die bisher erreichten Erfolge bewusst zu genießen, oder treiben sie vielmehr an, die Ziele höher zu stecken und noch mehr Tempo zu machen?

Manuel:
Die Leute von außen haben eine ganz andere Wahrnehmung als wir selbst. Wir empfinden das nicht so, dass wir auf einer Erfolgswelle sind. Klar checkt man mal die Vorverkäufe der Konzerte, aber ansonsten bekommen wir das gar nicht so mit. Dennoch wächst der Druck natürlich mit Blick auf das nächste Album. Wir sind jetzt dabei, herauszufinden, was und wie das sein kann.

Carlos:
Man lernt, gewisse Dinge zu akzeptieren und ein glücklicher Hamster zu sein. Uns ist sehr bewusst, dass, wenn wir jetzt zwei Jahre keine Musik mehr machen, sich niemand mehr an uns erinnert. Und wir haben das Ziel, international zu spielen, also hohe Ambitionen. Wenn du erlebst, dass deine Songs plötzlich im Radio laufen, willst du immer mehr, ähnlich wie bei einer Drogensucht. Plötzlich fragst du dich, warum sind wir nicht in Tagesrotation? Du fragst dich, wann ist der Hamster zufrieden? Man muss die Muße finden und sich immer wieder vergegenwärtigen, was da mit einem passiert.

Gerade als Musiker hat man keine klassisch geregelten Arbeitstage und dennoch braucht es Planung und Verantwortlichkeit. Wie lassen sich Projekte und Zielsetzungen bandintern strukturieren?

Manuel:
Wir erstellen mit unserem Manager jährliche Zielpläne und strukturieren uns damit. So können wir schwarz auf weiß nachvollziehen, was wir erreicht haben und auf welche Pläne wir hinarbeiten. Die Eigeninitiative aufzubringen, war für mich am Anfang das Schwierigste. Entweder du schläfst bis nachmittags oder aber du stehst auf und machst was.

Foto: Berkant Özdemir.

Großartige Kunst schöpft häufig aus großer Melancholie und umgekehrt. Wie lässt sich diese Wechselwirkung aus künstlerischer Sicht erklären?

Carlos:
Ich habe letztens einen Artikel über das Verhältnis von Botenstoffen im Gehirn von Musikern gelesen. Es ging um eine Studie, die belegt, dass hauptberufliche Musiker sehr viel anfälliger für Depressionen sind, weil ihr Belohnungssystem immer wieder angeregt werden muss. Du hast einen starken Adrenalinausstoß bei Konzerten, bist körperlich tätig, hast zu wenig Schlaf, ernährst dich nicht optimal. Das sorgt für einen emotionalen Kater. Auch wenn ich weinerliche Musik nicht so gerne mag und stärkende Botschaften bevorzuge, Kunst und Musik wird es nie ohne Melancholie geben. Dafür ist die Aufopferung zu groß.

In kürzester Zeit hat WOMAN einen Weg erspielt, für den andere Newcomer viele Jahre brauchen. Welchen Ratschlag sollten Musiker unter dem Radar beherzigen?

Manuel:
Seid euch bewusst, was ihr macht, macht euch einen Plan und strukturiert euch. Und vor allem – seid streng mit euch.

Milan:
Ich halte nicht so viel von Ratschlägen an andere. Unser Weg muss nicht für alle zutreffen. Jede Band oder jeder Künstler sollte sein Ding machen und daraus lernen.

Carlos:
Ich glaube, das Wichtigste ist, dass man auf Konventionen scheißt. Es gibt für mich keine Musik, dir mir gefällt, die sich an Konventionen hält. Das, was durchsticht, ist das Komische, das, was man noch nie gesehen und gehört hat. Das schaffen Leute nur, wenn sie ehrlich zu sich selbst sind und es ihnen gelingt, das nach außen zu tragen. Ich glaube, nach diesem Punkt suchen alle Musiker. Und wenn man den gefunden hat, dann ist es egal, wie viele Leute vor der Bühne stehen.

Foto: Berkant Özdemir.

Danke an Carlos, Manuel und Milan für das Interview. Danke an die Leserinnen und Leser für das Interesse.

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