MALKY

AUF DEM WEG MITDANIEL STOYANOV UND MICHAEL VAJNA.

ÜBER ERFOLG

Foto: Alexander Videnov.

Komm, wir fahren einfach los. Wir wischen den Sepiafilter von unseren Erinnerungen und drehen unser eigenes Roadmovie zum Soundtrack von Malky. Eine Band, die uns den Sprit aus europäischer Folklore und musikalischer Landschaftsmalerei schon längst gemischt hat. Die Songs von Malky führen zu Sehnsuchtsorten – in die weiten, grünen Berglandschaften des Balkans, in die Rosenfelder Bulgariens, laden ein auf einen Raki unter Mirabellenbäumen und wecken uns in der harten Wirklichkeit von Lampedusa wieder auf. Im Gespräch mit Malky wird schnell klar: Die Frage ist nicht, wann wir wir endlich da sind, sondern wann wir uns auf den Weg machen …

Interview: Alexandra Helena Becht

Es gibt Dinge, die man hinter den Kulissen einer Musikerkarriere planen kann. Und dann gibt es Dinge, die einfach passieren und die der Musik und der Kunst einen Zauber verleihen und sie zu einem universellen Moment machen. Verfolgt man die Geschichte von Daniel Stoyanov, Michael Vajna und ihrer Band Malky, lassen sich solche besonderen Momente ausmachen. Hätte man den Erfolg, den Malky inzwischen genießt, überhaupt so planen können?

Daniel:
Ich glaube, Erfolg hat keinen Plan. Wenn man sich einen Plan macht, um erfolgreich zu sein, liegt darin eigentlich schon ein Fehler. Es gab sicher Phasen im Leben, in denen man gedacht hat, Erfolg ist, wenn man in der Musik groß rauskommt und seiner Mutter ein neues Auto vor die Tür stellen kann. Und dann merkt man, dass das falsch ist, weil man es nicht für andere machen muss, sondern für sich selbst. Im Laufe der Zeit verändern sich die Werte und ich glaube, wenn man an einen Punkt kommt, an dem man versteht, dass Erfolg einfach ein Maximum an persönlicher Freiheit ist, dann ist man auf einem guten Weg. Wodurch man das Gefühl der Freiheit findet und wie man es erreicht, muss natürlich jeder für sich selbst definieren.
Wir haben es mit unserem musikalischen Projekt geschafft, dass wir damit schon mehrere Jahre Konzerte spielen können. Und dann muss man sich auch davon lösen, dass es nicht das Wichtigste ist, im Radio stattzufinden, sondern, dass man es auf der Bühne einfach passieren lässt und man den Leuten etwas mitgibt. Dass man es schafft, unabhängig und frei von den ganzen Multiplikatoren, mit dem Publikum Momente zu haben. Selbst wenn man kleinere Konzerte spielt, kann das mehr Freiheit bedeuten. In meiner jetzigen Lebensphase denke ich mir, je mehr man das Gefühl hat, dass man persönlich frei ist von irgendwelchen Dämonen, desto mehr Erfolg hat man.

Michael:
Ich finde, es gibt Unterschiede zwischen dem inneren und dem äußeren Erfolg. Es ist zum einen die Freiheit, seine eigenen Sachen zu machen, und zum anderen die Wertschätzung von außen. Wenn Leute zu einem sagen, wir finden es gut, dass ihr euch nicht verbiegt, dass ihr immer noch so weitermacht und versucht, euch zu entwickeln. Das ist eine Bestätigung des Weges.

Links: Daniel Stoyanov. Rechts: Michael Vajna. Foto: Max Parovsky.

DIE BAND
Einen eigenen Weg zu finden, eine international gültige musikalische Sprache zu entwickeln, das war von Anfang an ein Kernanliegen von Sänger Daniel Stoyanov und Produzent und Keyboarder Michael Vajna. Nachdem sie sich in Mannheim kennengelernt hatten, war schnell klar, dass gemeinsam große Musik entstehen kann. Zusammen zog es sie nach Leipzig, wo sie die Basis für den Sound ihrer Band Malky in einer zum Studio umfunktionierten Dachschräge entwickelten. Nach ihrer EP „Diamonds“ und dem Debüt-Album „Soon“ (2014) folgte das zweite Album „Where Is Piemont“ (2016). Die Single „Lampedusa“ nimmt Bezug auf die Not unzähliger Menschen, die auf der Flucht vor unerträglichen Lebensbedingungen in ihren Heimatländern, ihr Leben riskieren. Ein musikalischer Appell für Mitgefühl und einen fortwährenden Dialog zwischen verhärteten Fronten. Malky spielte inzwischen Konzerte in ganz Europa und trat bei einigen der wichtigsten Showcase-Festivals auf. Man darf gespannt sein, auf das weitere künstlerische Schaffen und den Entwicklungsprozess.

Im persönlichen Gespräch strahlen Daniel und Michael eine gesunde Gelassenheit aus und lassen auch die ruhigen, nachdenklichen Momente zu. Vermutlich war und ist es oft nicht einfach, sich dieser Haltung innerhalb der erfolgsgetriebenen und lauten Musikindustrie treu zu bleiben?

Michael:
Das wechselt. Man fängt nicht aus dem Grund an, Musik zu machen, weil man große Bühnen bespielen will, sondern weil es einem etwas gibt, was alles ersetzt. Das heißt, von der Haltung her bist du mit 14 wahrscheinlich weiter als mit Anfang 20, weil du dir überhaupt keine Gedanken machst und es einfach das Schönste ist, mit Leuten Musik zu machen. Das ist der Anfang. Das ist, wie wenn du jammst und alle Musiker wie in Trance sind und alles andere vergessen. Das ist der Moment, warum du daran auch festhältst. Und irgendwann, wenn es dann mit diesem Geschäft gekoppelt ist und man mitbekommt, wie es bei anderen Bands und Produzenten läuft, dann bekommt man auch Hunger suggeriert. Plötzlich hat man mit Leuten zu tun, die was verkaufen wollen, und das stachelt dich an. Und irgendwann fragst du dich, was ist das eigentlich?

Daniel:
Es ist dieses äußere Wow, woran man plötzlich seinen Wert misst. Erst sagen es die Eltern, dann die Freunde und plötzlich sagen es fremde Leute zu dir. Davon musst du dich lösen, und das kann lange dauern. Es ist falsch, dafür Musik zu machen. Ich glaube, auch wir sind nicht komplett frei davon, aber auf dem Weg.

"Wenn man an einen Punkt kommt, an dem man versteht, dass Erfolg einfach ein Maximum an persönlicher Freiheit ist, dann ist man auf einem guten Weg."

Foto: James Zwadlo.

Daniel und Michael haben ihre ersten gemeinsamen Songs auf engem Raum in einer zum Studio umfunktionierten Dachschräge geschrieben und entwickelt. Wie kann man die persönliche Beziehung zur eigenen Musik schützen, wenn sich der Raum, in dem man künstlerisch agiert, plötzlich weitet und immer mehr Beteiligte ihre Meinung, Erfahrung und Erwartung beigeben?

Daniel:
Man kann da durchaus auch auf eine gewisse Art in eine Beziehung mit der äußeren Erwartungshaltung reinrutschen. Aber, wir haben an den richtigen Stellen unsere Konflikte gehabt und sie gut für uns gelöst und unseren Frieden geschlossen.

Michael:
Es ist nun mal auch ein Geschäft und ab einem gewissen Punkt ist es ein größerer Apparat. Da muss zum Beispiel der Tourbus bezahlt werden und es beginnt ein Seilziehen. Es gibt äußere Einflüsse und manchmal muss man erst mal zwei Stunden durch den Wald, um sich das abzulaufen. Trotz alledem sind wir unserer Kunst noch sehr nah, sie wird nur sehr oft seziert. Bis zu einem gewissen Grad macht es zwar Spaß, die Musik zu analysieren, aber manchmal ist es auch richtig destruktiv. Musik ist ja im Grunde etwas sehr Diffuses, und dann kommt jemand und sagt, aha, das ist so oder so, und bewertet es subjektiv.

Daniel:
Ich denke, zur Entwicklung eines Menschen gehört es eben auch, dass man es schafft, die äußeren Einflüsse richtig einzuordnen. Das ist ein Lernprozess.

Malky live in der Brotfabrik Frankfurt. Foto: Alexandra Helena Becht.

Als Musiker kann man unter gewissen Umständen jahrelang mit einer Band fleißig proben und spielen, ohne dass Ideen fruchten, weil man einfach keine gemeinsame künstlerische Übereinstimmung hat. Erlebt man Daniel und Michael live auf der Bühne, wird deutlich, dass sich hier zwei Seelen gefunden haben, die ihre gemeinsame musikalische Sprache sprechen. War das schnell spürbar, dass man zusammen ein besonderes Potenzial entwickeln kann?

Michael:
Ja, ganz zu Anfang hat man schon gemerkt, dass man Talent zusammen entwickeln kann. Und, dass wir zusammen auf einem anderen Level stattfinden können. Auch weil man sich besser verstanden hat als mit anderen Konstellationen. Mit manchen Leuten kannst du einfach Musik machen, weil man gemeinsam irgendeine Resonanz hat. Wir haben mit unseren ersten Songs schon gemerkt, dass es uns persönlich so viel gibt. Und dann ist es auch einfach egal, ob es andere auch gut finden. Solange man es selbst in sich trägt, sich davon emotional ernähren kann, ist damit schon alles erreicht. Mehr kannst du meiner Meinung nach nicht mit Musik erreichen, als dass sie dich so einnimmt, dass du Essen, Trinken und Schlafen vergisst, weil es nicht mehr zählt.

"Mehr kannst du meiner Meinung nach nicht mit Musik erreichen, als dass sie dich so einnimmt, dass du Essen, Trinken und Schlafen vergisst, weil es nicht mehr zählt."

Foto: Brina Blum.

Auf dem Album „Where Is Piemont“ aus dem Jahr 2016 nimmt Malky den Hörer mit auf eine nachdenkliche Reise zu Sehnsuchtsorten, wie die weiten, grünen Berglandschaften des Balkans oder die wilden Gärten in Daniels Heimat Bulgarien – und weckt ihn in der bitteren Realität der Mittelmeerinsel Lampedusa wieder auf. Sind Melancholie und Schwere die Taktgeber für die Musik von Malky?

Michael:
Für mich ist Melancholie die Quelle überhaupt. Denn in ihr ist man offen und empfindsamer und hört sich vielleicht auch am besten zu. Natürlich ist das auch abhängig von Lebensphasen. Ich verspüre derzeit zum Beispiel erstmals die Lust, fröhliche Songs zu schreiben. Denn in der Melancholie kennt man sich jetzt in gewisser Weise bei sich selbst aus, kennt seine Facetten und hat langsam seinen persönlichen Stil gefunden.

Daniel:
Manchmal, wenn etwas so eine Begrifflichkeit bekommt und man es benennt, dann trifft es das überhaupt nicht. Es ist mehr eine Offenheit als eine Melancholie. Ein Zustand, in dem man seine innere Landschaft erkunden kann. Man lernt etwas über die Bedeutung von Freude und über den Trick, wie sie funktioniert. Dann kann man auch in melancholischen Momenten fröhliche Musik machen. Das finde ich fast noch stärker, als traurige Songs aus ihr entstehen zu lassen. Es gibt Momente, in denen man das Glück von weitem betrachten kann und trotzdem seinen Frieden damit hat. Wenn man nicht drin ist im Haus, sondern von außen darauf schaut, dann liegt einem die Seele bar offen.

Foto: Max Parovsky.

Die ersten Songs von Malky wurden von Daniel und Michael in Eigenregie produziert und an Labels geschickt – zunächst ohne Erfolg. Erst durch die Zusammenarbeit mit einem Management gingen bestimmte Türen für eben jene Songs auf, die zuvor noch abgelehnt wurden. Wie lassen sich solche Durststrecken und womöglich aufkommende Zweifel an der eigenen Qualität überwinden?

Daniel:
Bei uns war es so, dass wir uns teilweise auch gegenseitig bestärkt haben. Auch wenn jeder für sich selbst verantwortlich ist, jeder findet Sachen, die ihn erfüllen. Manchmal muss man sich auch von dem, was man am meisten liebt, ein wenig lösen. Natürlich kann man sich auch zu weit von seiner Muse entfernen, und dann wird es schwer, wieder ranzukommen. Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Aber auch woanders als in der Musik gibt es Glück und Zufriedenheit. Das hält einen über Wasser.

"Als Künstler sollte man sich frei in seiner eigenen Kunst bewegen und so expressiv wie möglich sein."

Foto: Scott Webb.

Danke an Daniel und Michael für das Interview. Danke an die Leserinnen und Leser für das Interesse.

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