SIMEON

KEINE POSE FÜR DEN RAP.

ÜBER ERFOLG

Foto: Dominique Muller.

SIMEON ist ein Dichter und Denker – und ein Rapper, der nicht den Gesetzen seines Genres folgt. Für ihn muss Rap keinem Dogma folgen, sondern als Kunstform frei sein, für Werte stehen und zum Nachdenken anregen. Er sucht keinen Vergleich, sondern möchte sich selbst als Künstler erkennen und seine eigene Stimme finden. Erfolg ist für ihn ein dynamischer Prozess – genau wie das Reifen als Künstler und Songtexter. Mit dieser sympathischen Haltung überzeugt er auch live ein stetig wachsendes Publikum und kündigt im Alleingang für diesen Herbst mit „Tabula Rasa“ ein vielversprechendes wie nachdenkliches Debütalbum an.

Interview: Alexandra Helena Becht.

Erfolg aus künstlerischer Sicht bedeutet für SIMEON, dass er unverfälschte, kompromisslose Musik machen kann. Musik, die ihm gefällt und auch von Leuten verstanden, empfangen und honoriert wird. Nach dieser Definition dürfte sich der Erfolg also längst eingestellt haben?

SIMEON:
Ja, eigentlich schon. Wobei es immer im Fluss ist. Zwar stehe ich kurz vor der Veröffentlichung meines ersten Albums, aber inzwischen habe ich bereits neues Material, das ich am liebsten schon umsetzen würde – es geht mir nicht schnell genug. Aber Musik-Veröffentlichungen diktieren einem da natürlich gewisse Vorlaufzeiten. Daher bin ich immer hungrig und rastlos. Erfolg ist für mich ein dynamischer Prozess.

SIMEON hat vor mehr als 15 Jahren angefangen, Musik und Texte zu schreiben. Inzwischen hat er seine eigene Stimme und Klangfarbe gefunden und arbeitet daran, sich als Künstler zu etablieren. Haben sich während dieses Reifeprozesses die persönlichen Ziele verändert?

SIMEON:
Früher hatte ich schon unrealistische, naive Träume. Mein Ziel war, von der Musik leben zu können. Inzwischen weiß ich, dass dies nur für sehr wenige Künstler zutrifft. Heute ordne ich es realistischer ein. Erfolg ist beispielsweise auch, wenn eigene Songs eine bestimmte Soundqualität erreichen und wenn man mit eigenen Mitteln die eigenen Ideen umsetzen kann. Ich möchte ein Sound-Statement abgeben und mich nicht anbiedern.

SIMEON fotografiert von Stefanos Knapp.

DER KÜNSTLER
Der Frankfurter Bulgaro-Schweizer SIMEON hat die Weichen für sein in diesem Herbst erscheinendes Debütalbum „Tabula Rasa“ gestellt. Lokal macht er schon seit einiger Zeit mit seinem treibenden Sound von sich Reden und präsentiert eine souveräne neue Klangfarbe und ein neues Bild für Rap aus Frankfurt am Main. Zusammen mit seinem Co-Produzenten Philip Kressin, Hip Hop DJ Steez und seinem Visual Artist Michael Hazkiahu aka Hazki verbindet SIMEON düsteren Industrial-Elektrostyle mit kühler Ästhetik und ist startklar für den Eintritt in die nationale Rap-Sphere.

Wie viele andere Musiker geht auch SIMEON neben seinem musikalischen Schaffen einem regulären Job nach. Schlagen da zwei Herzen in einer Brust oder ist es ein tägliches Verbiegen für die Kunst?

SIMEON:
Ich trenne die Musik strikt von meinem regulären Job, der mir auch gefällt und den ich verfolge, um meinen finanziellen Verpflichtungen nachkommen zu können.

Medien und Multiplikatoren der Musikbranche werfen häufig als Erstes einen Blick auf Follower und Klickzahlen bei YouTube oder Spotify, bevor sie einen Künstler und seine Musik bewerten und entscheiden, ob sie mit ihm zusammenarbeiten. Wie leicht oder schwer fällt es, sich als Künstler diesem Zahlenspiel zu entziehen?

SIMEON:
Man kann sich dem nicht komplett entziehen, aber ich habe mich dagegen entschieden, es als zu wichtig zu erachten. Besonders in der Promo-Phase merkt man, dass andere auf diese Zahlen viel Wert legen. Zum Beispiel erhalten wir von Medienpartnern das Feedback, dass wir uns noch mal melden sollen, wenn wir mehr Follower und Klicks auf Spotify oder YouTube haben. Viele Medien trauen sich nicht, selbst neue Musik zu pushen, sondern möchten warten, bis sich ein Trend abzeichnet. Das ist das Henne-Ei-Prinzip. Es ist schade, dass manche Medien sich nicht trauen, als Tastemaker aufzutreten, und statt neuer Musik rein modische Trendsounds weiterempfehlen. Aber nur deswegen Follower und Klickzahlen einzukaufen, sehe ich nicht ein.

Foto: Teemu Laukkarinen.

Als Musiker im Alleingang die Produktion und Promotion eines Albums umzusetzen, setzt viel Selbstvertrauen, Energie und Überzeugung in die eigene Kunst voraus. Die Umsetzung der eigenen Ideen und Ansprüche kann zum Geduldspiel werden. Gibt es auch bei SIMEON diese Momente, in denen man gefühlt nicht weiterkommt?

SIMEON:
Ja, solche Momente gibt es, wenn ich beispielsweise viel Arbeit in einen Song reinstecke und an etwas gearbeitet habe und ich damit dennoch gefühlt nicht weiterkomme. Da ist es wichtig, Musikfan zu bleiben. Ich muss mich dann selbst inspirieren. In mir entsteht dann oft eine innere Wut und dadurch bedingt auch eine neue Motivation, gerade dann weiterzumachen. Aber ja, es verlangt einem sehr viel ab, es immer weiter zu treiben und den eigenen Vorstellungen zu entsprechen. Ich muss lernen, mich locker zu machen und mir meine Leichtigkeit und Freude für die Musik zu bewahren.

SIMEON fotografiert von Marc Wittenborn.

SIMEON verbindet in seiner Musik das düstere Elektronische mit ästhetischer Schönheit und nennt es Rap mit Industrial-Elektrostyle. Es klingt tiefer und anders als gängige Rap-Sounds. Klingt es womöglich zu anders, um damit einen Plattenvertrag anzustreben?

SIMEON:
Schwierige Frage. Häufig wünscht man sich natürlich Unterstützung in Bezug auf die Promotion und Planung. Aber in anderen Momenten denke ich, wir können eigentlich alles selbst machen und sind dadurch komplett frei. Diese künstlerische Freiheit ist Gold wert. Meine letzte Demoaufnahme habe ich vor langer Zeit an Labels verschickt. Inzwischen denke ich, dass man als Musiker erst mal selbst von sich hören machen muss.

Mal ehrlich, kann man sich überhaupt komplett von den Spielregeln der Musikbranche frei machen, wenn man anstrebt, mit der eigenen Musik ein größeres Publikum anzusprechen?

SIMEON:
Es gibt manchmal diesen inneren Kampf, dass man etwas Abgefahrenes machen möchte und dann selbst abwägt, ob sich das vermarkten lässt oder ob man die Energie eher in etwas steckt, was besser ankommen könnte. Ich muss lernen, mich davon komplett frei zu machen und mich selbst einzuordnen. Ich versuche dann, den Kunstaspekt zu betrachten und nicht das Rap-Game. Ein Spiel hat Regeln, Kunst hat für mich keine Regeln.

SIMEON fotografiert von Stefanos Knapp.

In seinen Songtexten behandelt SIMEON urbane und gesellschaftliche Themen verschiedener Milieus des Großstadtdschungels. In seinen Zeilen liegen Reibung und Rastlosigkeit – sie bewegen sich zwischen Großkapital und Kleinkriminellen, zwischen Wolkenkratzern und Bodenständigkeit. Diese Dringlichkeit überträgt sich auch auf SIMEONs Stimme und seinen tiefen, elektronischen Synthesizer-Sound. Ist diese Nachdenklichkeit der kreative Treibstoff ?

SIMEON:
Ja, das geht zurück zu meiner ursprünglichen Motivation, Texte zu schreiben. Das nahm mit verwirrten Teenagerphasen seinen Anfang. Ich habe auch noch nie einen lustigen, fröhlichen Text geschrieben. Ich bin nicht der Typ für Partytracks oder der Rapper, der bestimmte Statussymbole in seinen Songs glorifiziert. Bei mir schwingt zu viel Melancholie und Nachdenklichkeit mit. Ich bin ein großer Grübler. Ja, ich denke, dass schicksalhafte Wendungen oft gute Texte hervorbringen.

SIMEON ist ein Grübler, der sich einen Moment nimmt, um Fragen bedacht zu beantworten, statt eine kesse schnelle Lippe zu riskieren. Kann man auch mit Zurückhaltung und auf leisen Sohlen in einem lauten testosteron-getränkten Genre auf sich aufmerksam machen?

SIMEON:
Klar, sind besonders im Hip Hop Genre viele Alphatiere vertreten. Ich selbst bin aber nicht der Typ, der sich auf die Brust trommelt und herausposaunt wie geil er ist. Im Gegenteil, es fällt mir manchmal schwer, die eigene Musik zu verkaufen. Aber, aus meiner Sicht, bringt es nichts, anderen Sachen nachzueifern. Man muss seine eigene Stimme finden und das braucht Zeit. Ob sich damit auch der kommerzielle Erfolg einstellt kann ich nicht sagen. Was ich sicher weiß ist, dass man ehrlich mit sich selbst und seiner Kunst sein sollte.

Foto: John Towner.

Danke an SIMEON für das Interview. Danke an die Leserinnen und Leser für das Interesse.

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